SORGERECHT
SORGERECHT IM TÜRKISCHEN RECHT
A. Allgemein
I. Bedingungen
ARTIKEL 335 - Das minderjährige Kind steht unter dem Sorgerecht seiner Eltern. Das Sorgerecht kann den Eltern nicht entzogen werden, es sei denn, es liegt ein gesetzlicher Grund vor.
Sofern der Richter es nicht für notwendig erachtet, einen Vormund zu bestellen, verbleiben auch volljährige Kinder mit Einschränkungen unter dem Sorgerecht ihrer Eltern.
II. Wenn die Eltern verheiratet sind
ARTIKEL 336. - Solange die Ehe besteht, üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus.
Bei Beendigung der Lebensgemeinschaft oder bei Trennung kann der Richter die elterliche Sorge einem der Ehegatten übertragen.
Das Sorgerecht steht im Falle des Todes eines Elternteils dem Überlebenden und im Falle der Scheidung demjenigen zu, dem das Kind überlassen wird.
III. Wenn die Eltern nicht verheiratet sind
ARTIKEL 337 - Wenn Mutter und Vater nicht verheiratet sind, steht die elterliche Sorge der Mutter zu.
Ist die Mutter minderjährig, beschränkt geschäftsfähig oder verstorben oder wurde ihr das Sorgerecht entzogen, ernennt der Richter einen Vormund oder überträgt das Sorgerecht dem Vater, je nach dem Wohl des Kindes.
IV. Stiefkinder
ARTIKEL 338. - Die Ehegatten sind auch gegenüber ihren minderjährigen Stiefkindern zur Fürsorge verpflichtet.
Der Ehegatte, der die elterliche Gewalt über sein eigenes Kind ausübt, wird von dem anderen Ehegatten in angemessener Weise unterstützt und vertritt ihn für die Bedürfnisse des Kindes, soweit die Situation und die Umstände dies erfordern.
B. Umfang des Sorgerechts
I. Generell
ARTIKEL 339.- Die Eltern treffen die notwendigen Entscheidungen über die Pflege und Erziehung des Kindes und setzen sie um, wobei sie dessen Interessen berücksichtigen.
Das Kind ist verpflichtet, auf seine Eltern zu hören.
Die Eltern haben dem Kind die Möglichkeit zu geben, sein Leben entsprechend seiner Reife zu gestalten; sie haben seine Meinung in wichtigen Angelegenheiten so weit wie möglich zu berücksichtigen.
Das Kind darf die Wohnung nicht ohne Zustimmung der Eltern verlassen und darf ihnen nicht ohne rechtlichen Grund entzogen werden.
Die Eltern geben dem Kind einen Namen.
II. Erziehung
ARTIKEL 340 - Die Eltern haben das Kind nach ihren Kräften zu erziehen und seine körperliche, geistige, seelische, sittliche und soziale Entwicklung zu sichern und zu schützen.
Die Eltern haben dem Kind, insbesondere körperlich und geistig behinderten Kindern, eine seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende allgemeine und berufliche Bildung zu vermitteln.
III. Religiöse Erziehung
ARTIKEL 341. - Das Recht, die religiöse Erziehung des Kindes zu bestimmen, steht den Eltern zu.
Jeder Vertrag, der die Rechte der Eltern in dieser Angelegenheit einschränkt, ist ungültig.
Der Erwachsene ist frei, seine Religion zu wählen.
IV. Vertretung des Kindes
ARTIKEL 342.- Die Eltern sind die gesetzlichen Vertreter ihrer Kinder gegenüber Dritten im Rahmen ihres Sorgerechts.
Gutgläubige Dritte können davon ausgehen, dass jeder Ehegatte ein Geschäft mit der Zustimmung des anderen abgeschlossen hat.
Mit Ausnahme der Angelegenheiten, die der Genehmigung der Vormundschaftsbehörde unterliegen, gelten die Bestimmungen über die Vertretung der beschränkten Personen auch für die Vertretung unter Vormundschaft.
V. Handlungsfähigkeit des Kindes
ARTIKEL 343 - Die Handlungsfähigkeit des Kindes, das unter Vormundschaft steht, entspricht der Handlungsfähigkeit der Person, die unter Vormundschaft steht.
Das Kind haftet für seine Schulden mit seinem eigenen Vermögen, ohne Rücksicht auf die Rechte der Eltern auf das Vermögen des Kindes.
VI. Vertretung der Familie durch das Kind
ARTIKEL 344 - Ist das Kind unter Vormundschaft urteilsfähig, kann es mit Zustimmung der Eltern Rechtsgeschäfte im Namen der Familie vornehmen; die Eltern haften für diese Geschäfte.
VII. Rechtsgeschäfte zwischen dem Kind und den Eltern
ARTIKEL 345. - Die Verschuldung des Kindes durch ein Rechtsgeschäft zwischen dem Kind und den Eltern oder zwischen dem Kind und einem Dritten zugunsten der Eltern bedarf der Mitwirkung eines Treuhänders und der Genehmigung des Richters.
C. Schutz des Kindes
I. Schutzmaßnahmen
ARTIKEL 346. - Wenn die Interessen und die Entwicklung des Kindes gefährdet sind und die Eltern keine Abhilfe schaffen können oder dazu nicht in der Lage sind, trifft der Richter geeignete Maßnahmen zum Schutz des Kindes.
II. Unterbringung von Kindern
ARTIKEL 347 - Wenn die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes gefährdet ist oder wenn das Kind geistig verwahrlost bleibt, kann der Richter das Kind den Eltern wegnehmen und es bei einer Familie oder in einem Heim unterbringen.
Stört der Aufenthalt des Kindes in der Familie den Familienfrieden so sehr, dass ihm nicht zugemutet werden kann, ihn zu ertragen, und gibt es nach den Erfordernissen der Lage keine andere Abhilfe, so kann der Richter auf Antrag der Eltern oder des Kindes die gleichen Maßnahmen treffen.
Sind die Eltern und das Kind nicht in der Lage zu zahlen, so werden die durch diese Maßnahmen erforderlichen Kosten vom Staat getragen.
Die Bestimmungen über die Unterhaltspflicht bleiben vorbehalten.
III. Entzug der elterlichen Sorge
1. Im Allgemeinen
ARTIKEL 348.- Wenn andere Maßnahmen zum Schutz des Kindes erfolglos bleiben oder wenn von vornherein klar ist, dass diese Maßnahmen unzureichend sein werden, entscheidet der Richter in folgenden Fällen, die elterliche Sorge aufzuheben
1. Die Unerfahrenheit, die Krankheit, die Behinderung, die Anwesenheit an einem anderen Ort oder ähnliche Gründe hindern die Eltern daran, die Sorgerechtspflicht ordnungsgemäß zu erfüllen.
2. Die Eltern kümmern sich nicht ausreichend um das Kind oder vernachlässigen ihre Pflichten gegenüber dem Kind in grober Weise.
Wird beiden Elternteilen die elterliche Sorge entzogen, so ist für das Kind ein Vormund zu bestellen.
Sofern in der Entscheidung nichts anderes bestimmt ist, erstreckt sich der Entzug der elterlichen Sorge auf alle bestehenden und künftigen Kinder.
2. Im Falle der Wiederverheiratung der Mutter oder des Vaters
ARTIKEL 349.- Die Wiederverheiratung des Elternteils, dem die elterliche Sorge zusteht, erfordert nicht die Aufhebung der elterlichen Sorge. Wenn jedoch das Interesse des Kindes es erfordert, kann der Vormund gewechselt und ein Vormund für das Kind bestellt werden, indem die Vormundschaft je nach den Umständen und Bedingungen aufgehoben wird.
3. Pflichten der Mutter und des Vaters im Falle der Aufhebung der elterlichen Sorge
ARTIKEL 350 - Im Falle der Beendigung der elterlichen Sorge bleiben die Verpflichtungen der Eltern, für die Pflege und Erziehung ihrer Kinder aufzukommen, bestehen.
Sind die Eltern und das Kind nicht zahlungsfähig, werden diese Kosten vom Staat übernommen.
Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die Unterhaltspflicht.
IV. Änderung der Situation
ARTIKEL 351.- Ändert sich die Situation, müssen die Maßnahmen zum Schutz des Kindes den neuen Bedingungen angepasst werden.
Ist der Grund für den Entzug des Sorgerechts weggefallen, gibt der Richter das Sorgerecht von Amts wegen oder auf Antrag der Eltern wieder frei.